
Zwei Marine Tourbillons
by Jeffrey S. KingstonKann man in einer einzigen Uhr ein ultrakompliziertes Werk, feinste Handwerkskunst und einen sportlich-maritimen Stil vereinen? Gleich zwei außergewöhnliche Modelle der Kollektion Marine von Breguet beantworten diese Frage mit einem klaren „Ja“: die Tourbillon Équation Marchante 5887 und die Tourbillon 5577.
Bei der Tourbillon Équation Marchante handelt es sich um eine echte Weltpremiere. Noch nie zuvor wurden ein ewiger Kalender mit laufender Zeitgleichung und ein ultraflaches Automatikwerk mit Tourbillon kombiniert. Die Zeitgleichung passt perfekt zu dem Konzept eines maritimen Zeitmessers. In der Vergangenheit basierte die Messung des Längengrads auf See auf dem Verhältnis zwischen der Sonnen- und der bürgerlichen Zeit: Änderte ein Schiff seine Position entlang des Längengrads, so verschob sich im Vergleich zum Ausgangspunkt auch der Moment, an dem die Sonne ihren Höchststand erreichte.
Je weiter man zum Beispiel nach Westen segelte, desto später stand die Sonne im Zenit. Dieser Zeitunterschied ließ sich entsprechend in die Längengradposition umsetzen. Obwohl sie die Längengradänderungen nicht direkt anzeigt, spiegelt die laufende Zeitgleichung der Breguet Marine das Prinzip dieser Berechnung perfekt wider.
Die Zeitgleichung ist zudem eine seltene Komplikation. Sie zeigt den Unterschied zwischen der bürgerlichen Zeit, die auf einem Standardtag mit 24 Stunden basiert und das ganze Jahr über demselben Zyklus folgt, und der Sonnenzeit (die normalerweise von Mittag bis Mittag1 des Folgetages gemessen wird). Letztere ändert sich aufgrund der Neigung der Erdachse und leichter Abweichungen in der Umlaufbahn unseres Planeten um die Sonne von Tag zu Tag, weshalb die Tage in manchen Monaten länger und in anderen kürzer dauern.
Diese Unterschiede führen zu einer Sonnenzeit2, die der bürgerlichen Zeit maximal 14 Minuten voraus und 16 Minuten hinterher ist. Viermal im Jahr gibt es keinen Unterschied: am 15. April, 14. Juni, 1. September und 24. Dezember. Bis auf sehr wenige Ausnahmen zeigen Armbanduhren die Differenz mit einer Plus-/Minus-Anzeige an. Äußerst selten und deutlich komplizierter ist es, die Abweichung durch einen zweiten Minutenzeiger anzugeben, der zumeist durch eine Sonne gekennzeichnet ist und direkt die Sonnenzeit anzeigt. Die Breguet Marine mit laufender Zeitgleichung zählt zu diesen seltenen Ausnahmen und kombiniert darüber hinaus die Komplikation mit einem ewigen Kalender.
¹ Genauer gesagt ist die Länge des Sonnentages durch die Zeit definiert, die ein Punkt am Äquator benötigt, um sich um 360 Grad um die Sonne zu drehen.
² Von einem Tag zum anderen beträgt der Unterschied zwischen Sonnentag- und Kalendertag-Dauer nur wenige Sekunden. Die Unterschiede kumulieren sich jedoch, so dass die Sonnenzeit und die bürgerliche Zeit in bestimmten Phasen des Jahres um mehrere Minuten voneinander abweichen.


Sowohl die Marine Tourbillon Équation Marchante wie auch die Marine Tourbillon basieren auf dem ultraflachen Tourbillonkaliber von Breguet – eine Konstruktion mit einer Fülle an technischen Innovationen. Manche Uhrwerke brechen Rekorde, indem sie nur wenige Millimeter hoch sind, und müssen dafür erhebliche Zugeständnisse bezüglich Robustheit, Gangreserve und Leistung machen.
Breguet hat einen anderen Weg gewählt. Es wurden clevere Konzepte entwickelt, um ein elegantes, flaches Uhrwerk zu produzieren, das keinerlei Kompromisse in Sachen Robustheit, Gangreserve und Leistung eingeht. Eine Patentlösung gab es dafür jedoch nicht. Ein wesentliches Schlüsselelement war etwa das automatische Aufzugssystem, das besonders raffiniert konstruiert wurde. Hier ist die Schwungmasse dezentral am Rand des Werks montiert, um seine Bauhöhe nicht zu steigern und gleichzeitig einen freien Blick auf die Brücken zu ermöglichen – ganz im Gegensatz zu herkömmlichen Aufzugssystemen mit einem Rotor, der sich über den Brücken dreht, was die Konstruktion erhöht und die Sicht auf die Komponenten darunter verdeckt.
Die beiden Marine Tourbillons sind Beispiele einer Verbindung von mechanischer Komplexität mit Kunsthandwerk und maritimen Geist.




Durch das „Bullauge“ der Marine Tourbillon Équation Marchante 5887 können die Bestandteile des Tourbillons und die ellipsoide Form des Zeitgleichungsnockens bewundert werden.


Auch das Tourbillon-Drehgestell führt dank ausgeklügelter Lösungen nicht zu einer zusätzlichen Bauhöhe des Uhrwerks. Zum einen treibt das Räderwerk das Tourbillon von außen an, nicht wie üblich über einen Zapfen, der darunter montiert ist. Zum anderen befindet sich das feststehende Rad – ein wesentlicher Bestandteil jedes Tourbillons – ebenfalls außerhalb des Drehgestells (wiederum im Gegensatz zur konventionellen Positionierung unterhalb des Käfigs). Doch das ultraflache Tourbillon von Breguet umfasst noch weitere wichtige Innovationen. Eine vollständige Darstellung findet sich in Le Quai de l'Horloge Nr. 7.
Der dezentrale Aufzugsrotor bietet einen weiteren willkommenen Vorteil: Da er die Sicht nicht verdeckt, kommt die Arbeit der Meistergraveure von Breguet in der Marine Tourbillon Équation Marchante voll zur Geltung. Auf den Brücken und dem Federhaus des Uhrwerks haben sie mit viel Fingerspitzengefühl zwei aufwendige maritime Dekors geschaffen: Für die Brücken verwenden sie die klassische Technik des Kupferstichs, um das Bild der Royal Louis, eines Segelschiffs der französischen Marine, sorgfältig und detailgetreu zu gravieren. Bei der Tourbillon 5577 sind die Brücken von Hand angliert und auf den Oberflächen mit einem Streifenschliff verziert, der an die Holzplanken von Segelschiffen erinnert. Für das Federhaus beider Modelle wählten die Graveure die detaillierte und von Hand vollendete Darstellung einer Windrose.
